125 Jahre nach Afrika-Konferenz: Hamburg ignoriert Kolonialvergangenheit

Hamburg benennt ohne Sensibilität neue Straßen, Häuser und Plätze, die im neuen Stadtteil “Hafencity” entstehen, nach “Eroberern” (Menschenhändlern) und lukrativen “Kolonialwaren”.

“Diese Ignoranz ist peinlich für eine Stadt, die Weltmetropole sein will…“

via Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.

Presse-Information zum Download als pdf hier

Am 26.2.1885 – vor 125 Jahren – endete die „Afrika-Konferenz“ in Berlin.
Hamburg ignoriert seine koloniale Vergangenheit und ihre Folgen.

Das Eine Welt Netzwerk Hamburg (EWNW e.V.) und das Projekt afrika-hamburg.de fordern
die Stadt Hamburg auf, sich endlich kritisch mit dem kolonialen Erbe auseinanderzusetzen.
Das organisierte Vergessen in der Stadt blockiert und übertönt das postkoloniale Erinnern.
Hamburger Kaufleute wie Heinrich Carl Schimmelmann (1724-1782), Cesar Godeffroy
(1813-1885) und Adolph Woermann (1847-1911) zählen zu den Global Playern des
deutschen Kolonialismus. (Weitere Hamburger Kolonial-Kaufleute: http://www.afrikahamburg.
de/globalplayers1.html
).

In allen Hamburger Stadtteilen finden sich koloniale Bezüge. Sie reichen weiter zurück als in
die Zeit reichsdeutscher Kolonialherrschaft, die im Jahr 1884/85 begann, und sie führen bis
hinein in die Gegenwart. Bis heute werden sie jedoch vom „offiziellen“ Hamburg – von der
Bürgerschaft, dem Senat, den Bezirken, der Hamburg Marketing GmbH – ignoriert, verklärt,
verdrängt oder gar nostalgisch als „Marke“ restituiert und wiederbelebt.

In Hamburg gibt es keinen Ort postkolonialen Gedenkens. Keine Straße, kein
Denkmal, kein Platz oder Park ist postkolonialer Erinnerung gewidmet.

Das Eine Welt Netzwerk Hamburg und das Projekt afrika-hamburg.de fordern:

1.
Hamburg braucht einen zentralen Ort des postkolonialen Erinnerns verbunden mit
dezentralen Erinnerungsorten in den Stadtbezirken!

2.
Hamburg braucht eine Markierung postkolonialer Gedächtnispunkte, etwa durch
Texttafeln an Gebäuden und Denkmälern!

3.
Hamburg braucht eine Debatte über den Umgang mit kolonialen Straßennamen!
Sollen sie umbenannt – etwa nach AkteurInnen und Orten antikolonialen Widerstands
– oder kommentiert werden?

4.
Hamburg braucht bei der Debatte um postkoloniales Erinnern, die Zusammenarbeit
mit People of Colour in unserer Stadt und international! Diese soll erleichtert und
gefördert werden.

Anlass für das Anliegen des Eine Welt Netzwerks Hamburg und des Projekts afrikahamburg.
de ist der Abschluss der so genannten „Afrika-Konferenz“ in Berlin vor 125 Jahren.
Am 26. Februar 1885 hielt der Gastgeber Bismarck das Schlussdokument in den Händen:
Darin „legitimierten“ sich die Großmächte, den Kontinent Afrika – bis auf die Länder Liberia
und Äthiopien – in Kolonien aufzuteilen, soweit dies nicht schon geschehen war.
AfrikanerInnen waren zur „Afrika-Konferenz“ nicht eingeladen.

Das Verhalten der Stadt Hamburg zeigt, dass sie auch im 21. Jahrhundert keine Sensibilität
für den postkolonialen Hintergrund der Hansestadt entwickelt hat. Bedenkenlos errichtete sie
ein Denkmal für den Menschenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann, der im 18.
Jahrhundert mit dem Verkauf von Menschen als Sklaven im transatlantischen
Dreieckshandel reich wurde.

Ohne Sensibilität benennt sie neue Straßen, Häuser und Plätze
in der neuen Hafencity nach Eroberern und lukrativen Kolonialwaren. “Diese Ignoranz ist
peinlich für eine Stadt, die Weltmetropole sein will und in der Menschen aus allen
Kontinenten leben“, sagt Anneheide von Biela, Geschäftsführerin des Eine Welt
Netzwerks Hamburg. Auch die Künstlerin Hannimari Jokinen und der Historiker
Gordon Uhlmann vom Projekt afrika-hamburg.de kritisieren diese
Geschichtsvergessenheit: „Diese Situation ist beschämend.“

Sie weisen darauf hin, dass in dem Bemühen, die Speicherstadt und das Kontorhausviertel
als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen, die Hamburger „Kaufmannstugenden“ beschworen
werden. Deren kolonialwirtschaftliches und -politisches Vorgehen sei aber oft alles andere
als „ehrbar“ gewesen, so Jokinen und Uhlmann.

Hamburger Handelsherren – an der Spitze Adolph Woermann – verstanden es, sich ihren
Bismarck zu formen und den Einsatz der Reichsmacht für ihre kolonialwirtschaftlichen
Interessen zu sichern, besonders in Afrika. (Denkmal-Collage, Jokinen 2010)
Ein druckfähiges Format der Fotomontage „Bismarcke“ der Künstlerin Jokinen erhalten Sie
unter info@afrika-hamburg.de

Straßenumbenennung – Berlin zeigt, dass es auch anders geht:
Am Samstag, 27. Februar 2010 organisiert dort ein großes Aktionsbündnis einen
Gedenkmarsch für die afrikanischen Opfer von Sklavenhandel, Sklaverei, Kolonialismus und
rassistischer Gewalt. In dem Bündnis sind auch das Eine Welt Netzwerk Hamburg und das
projekt afrika-hamburg.de aktiv. Am gleichen Tag findet auch ein Festakt zur Umbenennung
des Gröbenufers in May Ayim-Ufer statt. Mehr Information: www.berliner-afrika-konferenz.de

____________________________________________
Für weitere Informationen:

Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. (EWNW) – Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in HH
Anke Schwarzer – Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Große Bergstraße 255
2767 Hamburg
Tel.: 040 – 358 93 86
anke.schwarzer@ewnw.de
www.ewnw.de

Projekt afrika-hamburg.de
info@afrika-hamburg.de
www.afrika-hamburg.de

Presse-Information zum Download als pdf hier

3 replies
  1. Gerwine Bayo-Martins
    Gerwine Bayo-Martins says:

    Es ist eine Katastrophe, sowas über meine Heimatstadt zu lesen. WANN WIRD DIES ALLES ENDEN, WAS WIR NOCH ERTRAGEN MÜSSEN ÜBER 60 Jahre nach dem Dritten Reich! Shame on all who do and support this.

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] – Der HVV (hamburger Verkehrsverbund) will sich nicht nur durch rassistische Stereotype ‘international’ geben (achtung, schlimmes Bild!) sondern ignoriert dabei auch noch vollständig das hier. […]

  2. […] hamburgs wird nicht nur geschwiegen, nein viel mehr werden ganze straßenzüge in neu-entstehende hafencity direkt mal nach entdeckern und kolonialisten benannt. diesen missstand kritisiert unter anderm das […]

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