Kommentar: Alberto Adriano – Gedenken anlässlich des 10. Todestages

In der Nacht zum 11. Juni 2000 war der Afrodeutsche Alberto Adriano alleine auf dem Weg nach Hause und durchquerte dabei den Stadtpark von Dessau (Sachsen-Anhalt). Zuvor hatte er sich in geselliger Runde bei Freunden ein Spiel der Fußball-Europameisterschaft angeschaut. Er freute sich sicherlich schon darauf in wenigen Wochen zu seinen Verwandten nach Mosambik zu reisen, wofür er mehrere Jahre lang gespart hatte. Doch er ahnte nicht, was in jener Nacht geschehen würde. Alberto Adriano wurde zur Zielscheibe eines feigen rassistisch motivierten Mordes dreier Neonazis. Hierbei wurde er auf bestialische Art und Weise unter rassistischen Beschimpfungen zu Tode geprügelt. Er erlag am 14. Juni 2000, im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. 

Nun jährt sich zum zehnten Mal der Todestag Alberto Adrianos. Anlässlich dessen möchten wir seiner gedenken: 

Alberto Adriano emigrierte 1980 aus Mosambik in die damalige DDR. Hier erlernte er den Beruf des Fleischers, den er bis zu seinem Tode ausübte, hier heiratete er und wurde Vater dreier Kinder. Sein jüngstes Kind war zu seinem Todeszeitpunkt wenige Monate alt. Alberto Adriano wurde von seinen Verwandten und Freund_innen als freundlicher und liebevoller Mensch gleichermaßen geschätzt. 

Der Mord an Alberto Adriano erregte in der deutschen Öffentlichkeit großes Aufsehen. 10 Wochen nach dem Mord wurden Anklagen gegen die Täter erhoben, von denen zwei zu jeweils 9-jährigen und einer zu einer 15-jährigen Haftstrafe(n) verurteilt wurde(n). Mittlerweile sind zwei von Alberto Adrianos Mördern wieder frei. Im Gegensatz dazu müssen seine Kinder ohne Vater aufwachsen, in einer ihnen feindlich gesinnten Umwelt.

Ein Gedenkstein am Ort des Mordes erinnert an Alberto Adriano:

Weshalb musste Alberto Adriano auf so fürchterliche Art und Weise sterben? Einer der Mörder gab während des Prozesses Folgendes an: 

„Ich habe den N…er getreten, weil ich ihn hasse!“ 

Dieses Bekenntnis muss schockieren. Es wird klar, dass im Weltbild der Mörder, welches diametral zu jeglichen moralischen und ethischen Wertvorstellungen sowie Menschenrechten steht, alleine ihre menschenverachtende und hasserfüllte Einstellung zu Alberto Adrianos Aussehen der ausschlaggebende Grund war, ihn umzubringen. Es hätte jeden anderen Schwarzen Menschen genauso treffen können wie ihn. Alberto Adriano war schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort. 

Der abscheuliche Mord an Alberto Adriano stellte sinnbildlich die Spitze des Eisberges des Rassismus und Diskriminierung Schwarzer Menschen in Deutschland dar. Als Reaktion auf diesen Mord formierte sich unter Schwarzen Menschen in Deutschland verstärkt eine Bewegung, die einen solchen Mord nicht einfach „hinnehmen“ wollten und dabei aktiv gegen Missstände in der deutschen Gesellschaft angehen und diese bekämpfen wollten und noch heute wollen. 

Ein bekanntes Beispiel ist der Verein „Brothers Keepers e.V.“, ein Musikerkollektiv von primär afrodeutschen Musiker_innen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, sich Rassismus und Rechtsextremismus entgegen zu stellen und sich für Respekt und Anerkennung von PoC in Deutschland einzusetzen.

2001 haben die „Brothers Keepers“ zu Ehren und in Gedenken Alberto Adrianos die Single „Adriano – Letzte Warnung“ veröffentlicht, welche auf große Resonanz in der Öffentlichkeit stieß. Sie kann als Kampfansage der Schwarzen Bewegung in Deutschland verstanden werden, die dem Rassismus Einhalt gebieten möchte. 

Anlässlich des zehnten Todestages Alberto Adrianos finden am 11. und 12. Juni 2010 in Dessau eine Gedenkveranstaltung, ein Gedenkkonzert und eine Fachtagung statt, die sich dem Vergessen entgegen stellen.

PROGRAMMHINWEISE IM ÜBERBLICK:

11. Juni 2010
ab 09.00 Uhr
TAGUNG IM DESSAUER STADTPARK

ab 14.00 Uhr
GEDENKSTUNDE IM DESSAUER STADTPARK

Das Programm zur Fachtagung und zur Gedenkstunde finden Sie hier.

12. Juni 2010
ab 14.00 Uhr
GEDENKKONZERT IM DESSAUER STADTPARK

Informationen zu den Künstler_innen finden Sie hier.

Die Möglichkeit der Anmeldung zum Tag der Erinnerung  finden Sie ebenfalls hier.

Textauszüge aus „Adriano – Letzte Warnung“ 

„Jetzt ist die Zeit, hier ist der Ort.
Heute ist die Nacht, Torchmann hat das Wort.
Denk’ ich an Deutschland in der Nacht bin ich um meinen
Schlaf gebracht – mein Bruder Adriano wurde umgebracht.
Hautfarbe: schwarz. Blut: rot. Schweigen ist Gold.
Gedanken sind tiefblau. Ein Bürger hat Angst vor seinem Volk.
Ein Wintermärchen aus Deutschland. Blauer Samt.
Als Kind schon erkannt: Ich bin hier fremd im eigenen Land.
Operation Artikel 3 – da habt ihr gelacht!
Jungs, das ist mein Leben, das ha’m wir uns nicht ausgedacht.
In all den Jahren in denen wir airplay verschwendet haben.
Man könnte denken, wir Rapper hätten nichts zu sagen.
Doch es rächt sich, ihr werdet sehen, es holt uns ein!
Einigkeit macht stark – Adriano starb allein (…)

Ich rapp’ für meinen Bruder, denn ich könnte auch das Opfer sein – Falscher Ort, falsche Zeit – da hilft dir auch nicht tapfer sein.
Wie viel Blut muss fließen in innerdeutschen Krisen?!
Alter, schau die letzen Jahre haben das mir zu oft bewiesen,
dass die Menschen sich erheben, wenn die Leute nicht mehr leben, doch dann ist es zu spät, ihr solltet öfters drüber reden.
Also, sag wie ist das möglich? Mal ist es doch tödlich/Gerechtigkeit, denn nicht nur Adriano hat es nötig. (…) 

„Dies ist so was wie eine letzte Warnung,
denn unser Rückschlag ist längst in Planung!
Wir fall’n dort ein, wo ihr auffallt,
gebieten eurer braunen Scheiße endlich Aufhalt/
Denn was ihr sucht ist das Ende und was wir reichen sind geballte Fäuste und keine Hände!
Euer Niedergang für immer! Und was wir hören werden, ist euer Weinen und euer Gewimmer! (…)“

Zum Video der Single “Adriano – Letzte Warnung” geht es hier.

 

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  1. Alberto Adriano – Gedenken anlässlich des 10. Todestages…

    In der Nacht zum 11. Juni 2000 war der Afrodeutsche Alberto Adriano alleine auf dem Weg nach Hause und durchquerte dabei den Stadtpark von Dessau (Sachsen-Anhalt). Zuvor hatte er sich in geselliger Runde bei Freunden ein Spiel der Fußball-Europameister…

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