Blackface-Karneval “nicht rassistisch” da in Leipzig

NEU vom 17.1.2011: Stellungnahme von zahlreichen Initiativen, die sich in Deutschland für die Aufarbeitung der Rolle kolonialer Bilder insbesondere im Alltagsrassismus einsetzen. Darunter die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, AfricAvenir, sowie die postkolonialen Initiativen berlin postkolonial e.V., frankfurt-postkolonial, freiburg-postkolonial.de und KopfWelten – gegen Rassismus und Intoleranz e.V. / Köln Postkolonial, dem Leipziger Forum für kritische Rechtsextremismusforschung, das AfrikanistikForum am Institut für Afrikanistik der Uni Leipzig, und der Berlin-Leipziger Gruppe “Kolonialismus im Kasten?”.

Pdf hier zum Download.

*

13.11.2010:

Eine besonders bizarre Form der Einforderung vermeintlichen Rechts auf rassistische Traditionen leistet sich derzeit der “akademische Faschingsverein” “Ba Hu Elferrat” an der HTWK Universität Leipzig.

Eine Karnevalsveranstaltung bewarb man dort mit Blackface Plakaten und Flyern, auf dem auf den Auftritt eines schwarz angemalten Weißen angekündigt war, der Roberto Blanco parodieren sollte (als könnte der das nicht selbst).

Dieses Bild ist nur für ganz starke Nerven.

Abgewehrt wird die Beschwerde mit den unreflektierten Klassikern

  • dass niemand je willentlich und wissentlich das Ziel verfolgt habe, zu diskriminieren. (Anm: für Diskriminierung ist es unwesentlich, ob sie unwissentlich oder wissentlich erfolgt)
  • Dass das Schema “Blackface-Diskriminierung” “nicht nach Deutschland insbesondere Leipzig übertragbar” sei, da “vollkommen andere Rahmenbedingungen vorliegen”. (Anm: mit Schwarzer deutscher Geschichte haben sie sich zwar nicht auseinandergesetzt, wollen aber gleichzeitig darüber belehren. Deutschland hat in der Tat eine eigene lange und traurige Blackface und Minstrel Tradition, daher braucht überhaupt keine “Übertragung” stattzufinden.)
  • Zum zynischen Umdeutungsversuch dieser rassistischen Tradition, sowie dem Versuch, diese vollständig aus ihrem schmerzhaften und gewaltvollen historischen, strukturellen und gesellschaftlichen Zusammenhang zu reißen, gibts noch ein Bonmot: “Nachahmung ist die höchste Form der Bewunderung”
  • In der Tatsache, dass die rassistischen Plakate (von Unbekannten) abgehängt wurden, sieht Andre Kleinschmidt von Ba-Hu gar “eine Form von Zensur die wir für bedenklich halten” (man beachte die Täter-Opfer-Umkehr: “wenn ich nicht mehr diskriminieren darf, werde ich in meiner Freiheit beschnitten”), sowie -obacht- eine “Hetzjagd gegen unseren Verein”als eine Form übler Nachrede”, mit Paragraphen, wohlgemerkt (Drohgebärden bei erfolgreicher Einforderung, auf rassistische Darstelungstraditionen zu verzichten). Noch mehr? Bitteschön: “Der Ba-Hu Elferrat ist seit vielen Jahren immer wieder durch Unterstellungen herab degradiert worden zu einem, sexistischen oder politisch irgendwie geartetem, Verein, welches ich Zeit meiner eigenen Mitgliedschaft nicht bestätigen kann.” Der Experte spricht.
  • “Für klärende Gespräche bin ich jederzeit bereit und hoffe dass etwaige Verstimmungen objektiv klärbar sind.” (Anm.: Behauptung der Neutralität und Objektivität, ergo Verleugnung der eigenen Sozialisierung; Versuch, die valide Beschwerde auf eine emotionale bzw nicht objektive Position zu verorten.)

Die SprecherInnen des StudentInnenRates der Universität Leipzig unterstützen die Beschwerdeführerin und schließen sich ihrer Meinung und Argumentation an.

Es wäre aus unserer Sicht wichtig, dass noch mehr aufgeklärte Menschen hier Entwicklungshilfe leisten bzw ihre Meinung kundtun.

André Kleinschmidt | Öffentlichkeitsarbeit “Unser Blackface in Leipzig ist nicht rassistisch” info@ba-hu.de

(der bisherige Verteiler: stepan@studentenwerk-leipzig.de ; kontakt@fachschaft-eit.de ; info@derbraunemob.de ; info@oegg.de ; adb_berlin@gmx.de ; info@adb-sachsen.de ; kanzler@htwk-leipzig.de">info@ba-hu.de )

Maildokumentation in all ihrer schillernden Ausführlichkeit zum Download HIER (ebenfalls nur für starke Nerven).

7 replies
  1. Ben
    Ben says:

    Der Medifasching an der Uni Leipzig hat auch ein fragwürdiges Poster produziert: In Anspielung auf das A-Team haben sie unter dem Motto “Das Ä-Team” eine weiße Frau in Blackface abgelichtet, deren Goldschmuck auch noch eher an stereotype Darstellungen von “wilden” Schwarzen Menschen erinnert.

    Das Plakat ist hier zu sehen: http://www.medifasching.de/

  2. J.
    J. says:

    Mein Brief an Herrn Kleinschmidt und cc den o.g. Verteiler:

    Sehr geehrter Herr Kleinschmidt,

    ich nehme Bezug zur Ihrer öffentlich geführten Korrespondenz über die
    “blackface”-Plakate und Ihrer darin enthaltenen Äußerung: “Das Schema
    ‘Blackface-Diskriminierung’ ist aber nicht, ohne weiteres, dem
    amerikanischen Sozial- und Kulturraum entnehmbar und nach Deutschland
    insbesondere Leipzig übertragbar, da vollkommen andere Rahmenbedingungen
    vorliegen”.

    Dass die blackface-Praxis auch in Deutschland rassistisch ist, und dass es
    dazu keine “objektiven” Relativierungen geben kann, zeigt folgender Auszug
    aus Noah Sow’s Buch “Deutschland Schwarz Weiss”, S. 162 f.:

    “Rassismus im Theater:
    Film und Theater in Deutschland bedienen sich noch heute der rassistischen
    Praxis des ‘blackface’. So bezeichnet man Weiße, die sich verkleiden,
    indem sie an sich zm Beispiel mit Schuhcreme und Make-up angebliche
    phänotypische optische Merkmale ‘Schwarzer’ konstruieren und diese dann
    karrikieren. Auch Deutschland hat eine Tradition dieser sogenannten
    ‘Minstrel-Shows’. Das Verhalten, das dabei an den Tag gelegt wurde, war
    und ist durchweg erniedrigend: Natürlich sorgten die’selbst gebauten
    Schwarzen’ durch aufgesetzte Triebhaftigkeit, Dummheit, Infantilität,
    seltsames Tanzen und Pseudo-Musizieren für Erheiterung des weißen
    Publikums. Es ist deshalb verständlich, dass Schwarze Menschen die
    Fortführung derartiger Demütigungen nicht tolerieren. Das ist allerdings
    den weißen Deutschen egal. Noch heute dürfen etwa weiße Schauspieler
    ‘blackface’ benutzen, wie beispielsweise in der jüngsten Inszenierung des
    ‘Othello’ im Jahr 2006 amHamburger Schauspielhaus. Der als ‘Mohr’
    verkleidete Hauptdarsteller agierte extrem sexuell triebhaft (das
    ursprüngliche Stück sieht übrigens keine andauernden Fickbewegungen vor),
    rannte im Rahmen der Inszenierung in der Pause nackt auf die Straße und
    tanzte und klatschte mit dem begeisterten weißen Publikum am Schluss noch
    zu Musik von James Brown.”

    Wenn sich Noah Sow hier auf Shows und Theater bezieht, so kann ihre Kritik
    doch auch auf Abbildungen übernommen werden. Ich selbst bin nicht Schwarz
    und kann daher persönlich mitunter schwerer einschätzen, welche Praktiken
    diskriminierend wirken und welche nicht. Daher bin ich über alle Maßen
    froh, wenn ich dazu von Betroffenen eine klare Ansage nachlesen kann.
    Diese Klarheit wollte ich auch Ihnen gern zukommen lassen.

    Ich bitte Sie außerdem dringend, alle Plakate abzunehmen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    J.

    PS: Ich führe diese Korrespondenz zum Zweck der Dokumentation öffentlich.

  3. Stefan
    Stefan says:

    Beim Medifasching fand, wie von jemandem der dort arbeitete gehört, auch eine passende Bühnenshow mit Baströcken und Bambusstöcken statt. Zeit, dass Studentenwerk und co mal ihre Förderpraxis überdenken und auch Fachschaftsräte sensibilisiert werden.

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  2. […] braune mob e.V. berichtet unter der Überschrift “Blackface-Karneval “nicht rassistisch” da in Leipzig” über ein Werbeplakat des Faschingsvereins “Ba Hu Elferrat” an der HTWK Universität […]

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