Resolution: Aufruf zu einem grundlegenden Wandel im Umgang mit Deutschlands kolonialem Erbe

Wir hatten im Blog schon mehrere Artikel über das Festhalten an Straßennamen, die nach nach deutsche , Straßennamen nach “Eroberern” (Menschenhändlern) benannt sind. In einigen traurigen Fällen (wie in Hamburg) werden sogar neue Straßen nach Männern benannt, neue Denkmäler errichtet für Männer, die sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben.

Nun wurde eine Resolution verabschiedet, am 3.10.2010 in Berlin auf dem bundesweiten Vernetzungstreffen postkolonialer und erinnerungskultureller Initiativen: freedom roads! – Vom Umgang mit kolonialen Straßennamen: Praxis und Visionen.

Diese Resolution kann und sollte von Bürger_innen und Organisationen mitunterzeichnet werden.

Resolution zum download hier.

Dort finden sich Beispiele zahlreicher Städte mit noch zahlreicheren Straßennamen.

Text der Resolution; auszugsweise:

Die Stadtlandschaften Europas und Deutschlands sind geprägt von Spuren der Kolonialvergangenheit und Relikten kolonial-rassistischer Ideologie.

Straßennamen vergegenwärtigen den ehemaligen „Kolonialbesitz“, erinnern an einst beanspruchte Regionen, Orte und Ressourcen oder tragen Bezeichnungen, die Schwarze Menschen diskriminieren. Selbst koloniale Akteure werden bis heute unkommentiert mit Straßennamen und Denkmälern geehrt, „durch die Kolonialisten noch immer glorifiziert und Kolonialisierte weiterhin gedemütigt werden“ (May Ayim). Diese Ehrungen sind mit der Würde des Menschen und dem demokratischen Selbstverständnis unserer Gesellschaft nicht vereinbar.
Die öffentliche und interkulturelle Debatte über den europäischen Kolonialismus und seine schwerwiegenden materiellen, kulturellen und geistigen Folgen ist überfällig. Ohne eine solche Kultur des Erinnerns kann weder das wirtschaftliche und politische Ungleichgewicht der Staaten des Südens und des Nordens noch der anhaltende Rassismus in unserer Gesellschaft verstanden und überwunden werden.

Angeregt vor allem auch durch die Kritik afrikanischer und afrodeutscher Menschen haben sich seit den späten 1990er Jahren mehr und mehr Initiativen für die Umbenennung von Straßen engagiert, deren Namen koloniale Akteure ehren. Heute betreiben zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen und Universitätsprojekte die Erforschung (post)kolonialer Stadträume.

Wir, die Unterzeichnenden, fordern die Kommunen und Stadtbezirke, Städte, Landesregierungen und den Deutschen Städtetag dazu auf, die kritische Aufarbeitung des kolonialen Erbes vor Ort und die Förderung einer umfassenden postkolonialen Erinnerungskultur als dringende öffentliche Aufgabe unserer Migrationsgesellschaft zu begreifen und tatkräftig zu unterstützen. Dringenden Handlungsbedarf sehen wir vor allem in folgenden Bereichen:

  • keine Ehrung von „Welteroberern“, Sklavenhändlern und anderen kolonialen Akteuren durch neue Straßennamen oder Denkmäler
  • Umbenennung von Straßennamen, die Kolonialakteure ehren
  • Auswahl von Persönlichkeiten des antikolonialen Widerstandes oder Opfern des Kolonialismus – People of Colour, insbesondere Frauen – als neue NamensgeberInnen
  • Sichtbarmachung der Gründe für die Straßenumbenennungen und des historischen Kontextes auf Informationsträgern (z.B. Infotafeln, Zusatzschilder u.a.) im Stadtraum
  • Kritische Kommentierung von Straßennamen mit kolonialem Bezug
  • Brechung der ideologischen Botschaft kolonialer Denkmäler durch sichtbare Kommentierung und/oder künstlerische Umformung
  • Sensibilisierung der Bevölkerung mit Medien und Methoden der beteiligenden Kunst, Kultur, Bildungs- und Gemeinwesenarbeit für die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Rassismus
  • Förderung des Prozesses der Dekolonisierung des öffentlichen Raumes im aktiven Dialog mit AnwohnerInnen, Stadtteil- und StadtbewohnerInnen
  • Entwicklung umfassender postkolonialer Erinnerungskonzepte, insbesondere für Städte und Kommunen mit “Kolonialvierteln”
  • Einrichtung von Runden Tischen zur Erstellung dieser Konzepte, zu denen HistorikerInnen, KünstlerInnen und andere ExpertInnen – vor allem People of Colour – sowie zivilgesellschaftliche Initiativen eingeladen werden
  • Erarbeitung postkolonialer Erinnerungskonzepte im Rahmen der Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den ehemaligen deutschen Kolonien (u.a. Berlin/Windhoek, Duisburg/Lomé, Hamburg/Daressalaam)
  • Förderung postkolonialer Erinnerungskulturen durch die Bundesländer und deren Anerkennung als gesamtstädtische Aufgabe. Die Pflege dieser Erinnerungskulturen darf nicht allein den Stadtbezirken überlassen werden

Berlin, 3. Oktober 2010

Wir möchten vor allem auch zivilgesellschaftliche Organisationen einladen zu unterschreiben. Bitte den Namen der Organisation und die Stadt nennen. Bei Einzelpersonen bitte Name, Funktion, evtl. Organisation und Stadt angeben.

Die Unterzeichnung geht an info@freedom-roads.de (Betreff: Unterschrift Resolution).

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