Verdächtiges Staunen: “Den Rassismus ernst nehmen” – Newsletter des Freundeskreis Tambacounda

Im aktuellen Newsletter des “Freundeskreis Tambacounda” findet sich auch ein Essay von Dr. M. Moustapha Diallo (Literatur- und Sprachwissenschaftler an der Universität Paderborn).

Auszüge:

Spricht man mit Europäern vom Rassismus, so reagieren sie oft mit ungläubigem Staunen; nicht selten wird man der Übertreibung oder Verallgemeinerung verdächtigt. Unerträglich für jemand, der mit den Zumutungen einer Gesellschaft konfrontiert ist, in der der/die Bornierteste sich „überlegen“ vorkommen kann, weil er/sie die passende Hautfarbe hat. Ist der Rassismus so leise geworden in der Gesellschaft, die wie keine andere von der absoluten Konsequenz rassistischen Denkens geprägt ist? Oder hört der/die heutige Deutsche nicht genau hin? Sind wir wirklich zu empfindlich? Oder ist das ungläubige Staunen der Reflex in einer diesbezüglich traumatisierten Gesellschaft? Im Nicht-Wahrhaben-Wollen geübten? Oder einer abgestumpften?! Gleichgültigen? Individualistischen? Viele denkbare Gründe.

In jedem Fall ist das ungläubige Staunen über den allgegenwärtigen Rassismus in Deutschland ein enttäuschendes Indiz, eine verdächtige Reaktion.
In den 1990er Jahren warnt ein prominenter Politiker vor der „Durchrassung der deutschen Gesellschaft“. Ein anderer mobilisiert ein ganzes Bundesland, um die doppelte Staatsbürgerschaft zu verhindern. Eine etablierte Partei wirbt auf ihren Wahlplakaten mit dem nackten Hinterteil eines Schwarzen. Ein Literaturkritiker spricht den Afrikanern die Fähigkeit zu großer Literatur ab. Solingen, Mölln, Hoyerswerda, Magdeburg, Moers, Mügeln scheinen eine Ewigkeit her zu sein! Nicht mehr der Rede wert.
Für die Jüngeren: Im 21. Jahrhundert behaupten deutsche Wissenschaftler, Afrikaner seien weniger intelligent als Europäer. Politiker behaupten trotz Millionen deutscher Muslime, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.

Medien suchen förmlich nach Bestätigungen für die so bekannten, merkwürdigen Eigenschaften der „Afrikaner“, für ihre scheinbar unerklärliche Rückständigkeit, für die ewigen Kriege – an denen die Industrieländer verdienen.

Immer noch geistert das Wort „Rasse“ schamlos in den Medien, als wüsste man nicht, dass seine Übertragung auf Menschen eine Erfindung ist, die der Abgrenzung dient. Man schürt die Angst vor der Flüchtlingswelle aus dem dunklen Kontinent. Bürokraten erfinden hemmungslos das Wort „Flüchtlingsbekämpfung“, und nehmen es selbstbewusst in den Mund! Ein großes und traditionsreiches Unternehmen wie Dr. Oetker missbraucht den Namen des mit Hilfe westlicher Geheimdienste ermordeten kongolesischen Politikers Lumumba für die Vermarktung eines Puddings (Wer würde in Deutschland ein Produkt nach einem Opfer der RAF nennen?!). …

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2 replies
  1. kiturak
    kiturak says:

    So gut! Danke!

    Ich erwische mich immer noch beim Staunen, manchmal, aber es wird seltener. Dabei bin ich selbst genervt, wenn Leute bei Erzählungen von “meinen” Ismen das “solche MONSTER gibt es in meiner Welt?!”-Gesicht aufsetzen. Der Schock heißt doch nur, vorher nie zugehört zu haben – und im Zweifelsfall am entsprechenden Punkt fleißig mitgemacht zu haben. Nichts, worauf mensch stolz sein sollte.

    Tami hatte neulich einen Artikel dazu geschrieben:
    Stop being “shocked” by “isms” .

    I submit that if you are truly shocked in the face of racism and sexism and homophobia and transphobia and other injustices, then you are as big a problem as the perpetrators of same.

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Besseres, etwas stimmt es ja auch schon … FALSCH. Bitte auf der braune mob weiterlesen zu Verdächtiges Staunen: “Den Rassismus ernst nehmen” – Newsletter des Freundeskreis Tambacounda. Was soll ich sagen. SORRY. Danke fürs Erinnern. Dieser Eintrag wurde veröffentlicht unter […]

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