Wenn Medien ihre Aufgabe nicht erfüllen

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Das Online-Magazin “Neue Gegenwart” berichtet in der 54. Ausgabe unter anderem über Themen, die von Journalisten nicht aufgegriffen werden, obwohl sie bedeutend sind und daher auch in die aktuelle Berichterstattung gehören. Dazu der Autor Prof. Dr. Horst Pöttker:

Die schwerste Verfehlung aber ist, wenn Journalisten etwas nicht berichten, obwohl es in die Öffentlichkeit gehört. Denn ihre Aufgabe ist nicht, dem Publikum Gutes zu tun oder es vor Schädlichem zu bewahren; seit es Journalisten gibt, besteht ihre Aufgabe darin, alles Aktuelle bekannt zu machen, was der Einzelne wissen muss, um sein Leben auf der Höhe der Möglichkeiten zu gestalten, und was die Gesellschaft an Transparenz braucht, um sich selbst zu regulieren.

Die schwerste journalistische Verfehlung ist deshalb, über etwas nicht zu berichten, das der Einzelne und die Gesellschaft erfahren sollten. Da eine konsensfähige Entscheidung über solche Relevanz nur aus einem Diskurs hervorgehen kann, der seinerseits Öffentlichkeit voraussetzt, haben Journalisten eine Grundpflicht zum Publizieren, von der im Prinzip kein Thema ausgenommen ist.

An dieser Stelle des Artikels war ich gespannt darauf, ob in der Liste der vernachlässigten Themen auch eines auftaucht, das hier relevant ist. Und siehe da, ich wurde nicht enttäuscht:

Im Juni 2007 wurde erstmals im Bundestag über eine finanzielle Wiedergutmachung der deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika debattiert. Obwohl diese vielfach als Völkermorde bewertet werden, berichteten lediglich der englische Dienst der Deutschen Welle und die “Junge Welt” ” Nachrichtenagenturen kündigten weder den Termin an, noch lieferten sie Nachberichterstattung. Dadurch war der Debattentermin in den meisten Redaktionen unbekannt.

Als Erklärung liefert der Autor in diesem Fall Folgendes:

Hier fehlt es am Nachrichtenwertfaktor Nähe, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht. Hinzu kommen psycho-kulturelle Gründe: Eigene Schuld wird gern verdrängt, auch kollektiv, und Geschichtsbewusstsein wie Geschichtswissenschaft werden vom postmodernen Zeitgeist abgehängt.

Die Initiative Nachrichtenaufklärung bewertet den Fall folgendermaßen:

Die Tatsache, dass die Ereignisse über 100 Jahre zurück liegen und zwischenzeitlich zwei Weltkriege das Schuldbewusstsein der Deutschen stark belasteten, sollte kein Grund dafür sein, dieses Verbrechen an mehreren zehntausend Menschen aus dem Blickfeld zu verlieren. Eine Diskussion über mögliche finanzielle Entschädigungen ist daher sinnvoll. Der Verlauf dieser Debatten sollte der Bevölkerung nicht vorenthalten werden, um diese kontroversen Argumente darlegen zu können. Nur so kann den Bürgern die Möglichkeit gegeben werden, sich eine eigene Meinung zu dem Thema zu bilden.

Bei dieser Initiative kann man übrigens auch Themen einreichen, die man für relevant, aber in den Medien nicht für präsent genug hält (klick)

vr

Schon wieder: Sklavenhändler in Hamburg wird geehrt

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Nun soll im Hamburger Stadtteil Altona ein ehemals dänischer König namens “Christian” geehrt werden. Die politische Künstlerin Jokinen richtete einen offenen Brief an den zuständigen Bezirksamtsleiter, hier einige Ausschnitte:

k-werkstatt wählte diesen Namen als einen Hinweis auf die Blütezeit Altonas Ende des 18. Jahrhunderts. […]

Ich nehme an, dass diese Namensnennung in Unkenntnis wichtiger historischer Fakten gewählt wurde. Während die oben erwähnten Geistesgrößen an der Elbe bei Altona spazieren gingen, kamen die Schiffe des dänischen Königs und seiner “Dänisch-Westindisch-Guinesischen Kompanie” im Altonaer Hafen an. An Bord Kolonialwaren von den Plantagenwirtschaften in der Karibik: Zucker, Baumwolle, Kaffee, Tabak – und Sklaven als Pagen und “Kammermohren” für die Reichen und Adligen in Schleswig-Holstein und Brandenburg.

Christian VI war Hauptaktionär der “Dänisch-Westindisch-Guinesischen Kompanie” und damit einer der größten Sklavenhändler und -halter im transatlantischen Dreieckshandel. Seine Vorgänger Christian V und Frederik IV hatten den globalisierten Sklavenhandel zwischen Kopenhagen, Guineischer Küste in Afrika und den Jungferninseln in der Karibik angeschoben. Sein Nachfolger Frederik V perfektionierte das perfide System des Menschenhandels, der zur Haupteinnahmequelle des Königs wurde und wesentlich zum Reichtum des dänischen Staates beitrug.

[…] Christian VI von Dänemark trat 1730 als ältester Sohn von Frederik IV seine Regentschaft (1730-1746) an. Die Krönungsfeier fand 1731 statt, an der auch sein Oberstallmeister teilnahm, der zugleich Direktor der königlich initiierten “Dänisch-Westindisch-Guineischen Kompanie” war. Als Ausdruck seiner hohen Stellung kam er mit seinem Sklaven, dem “Kammermohren” Anton.
Zu dieser Zeit besaß Dänemark bereits Festungen wie Fort Christiansborg an der afrikanischen “Goldküste” (heute Ghana) als Stützpunkte für den transatlantischen Sklavenhandel. Auf den karibischen Inseln St. Thomas und St. Jan befanden sich große Sklavenplantagen, auf denen vor allem Zucker, Baumwolle und Tabak für Europa angebaut wurde. Dafür fungierte Altona, damals Dänemarks Seehafen an der Elbe, als wichtiger europäischer Knotenpunkt des Dreieckshandels.

1733 erwarb Dänemark noch die Karibikinsel St. Croix, die für die Zucker- und Rumproduktion vor allem in Flensburg wichtig werden sollte. Auf St. Croix wurde im gleichen Jahr die Stadt Christiansted gegründet, benannt nach Christian VI. Zu dieser Zeit gab es auf St. John 109 Plantagen, davon 21 mit Zuckerproduktion mit wachsender Tendenz. Die dänische Insel St. Thomas war einer der bedeutendsten Umschlagsorte des Sklavenhandels in der Karibik.

Der “St. John Slave Code”, ein Strafreglement, das am 5. Sept. 1733 – vor 275 Jahren – vom dänisch-königlichen Kolonialgouverneur Philipp Gardelin erlassen wurde, erhielt 19 Paragraphen zur Behandlung von Sklaven auf den drei Inseln. Es gehört zu den berüchtigsten und grausamsten der europäischen Kolonialgeschichte.

Einleitend heißt es, dass das Reglement “unseren Negern, die von Gott selbst zu Sklaven gemacht sind” gilt. Das Strafreglement sah neben Auspeitschungen Brandzeichnen vor sowie – in Zeiten der “Aufklärung” – so mittelalterliche Strafen wie Amputation von Ohr, Hand, Arm oder Bein, Foltern mit glühenden Zangen, Rausreißen von Fleischstücken aus dem Körper, Rädern, Hängen oder Verbrennen auf dem Scheiterhaufen. Wie es beispielsweise im Pararagraphen 8 heißt, wird als Strafmaß für das “Maron laufen” – das Entlaufen eines Sklaven von der Herrenplantage – festgelegt: “Wer 6 Monate lang wegbleibt, soll das Leben verlieren, es sei denn sein Herr verzeiht ihm und begnügt sich mit dem Verlust des Beines.” Der Zeitzeuge Reimert Haagensen berichtet 1758, dass viele Sklaven lieber den Tod durch eigene Hand suchten, als sich in die Hände der Kolonialhäscher zu begeben. Haagensen hatte jedoch kein Mitleid, weil er der Meinung war, dass Sklaven “von Natur aus schlecht” seien.
(Quelle: www.book.google.com)

In Guinea an der afrikanischen “Goldküste” gehörte der Sklavenhändler Ludwig Römer (1714″1776), der 14 Jahre lang als Oberkaufmann in dänischen Diensten zu Zeiten Christians VI tätig war, zu den Wenigen, die sich der Schuld bewusst wurden, die sie durch die Ausübung ihres grausamen Gewerbes auf sich geladen hatten. Er kritisierte in einem Buch die Europäer, alles eingeführt zu haben, was in Afrika böse ist. (Quelle: Stefan Winkle: Firma Schimmelmann und Sohn. Der dänische Sklavenhandel, Hamburger Ärzteblatt 12/03)

Die auf den karibischen Plantagen arbeitenden Sklaven mussten selbst in der Lage sein, sich zu ernähren. Sie hatten kleine Gärten angelegt, doch das Jahr 1733 wurde durch eine Dürreperiode und Hurricanes heimgesucht. Die koloniale Monokultur trug weiter dazu bei, dass die Gärten durch Erosion vernichtet wurden. Hungersnot, das gerade erlassene Strafreglement und die äußerst grausame Behandlung durch die Plantangenbesitzer und Kolonialverwaltung trugen dazu bei, dass viele Sklaven entliefen. Ein Aufstand brach am 23. Nov. 1733 aus. Erstmals gelang es in die Sklaverei verschleppten Afrikanern, eine ganze Insel über eine für die Kolonialmächte
bis dahin undenkbare Zeit (sechs Monate) zu kontrollieren. Der Aufstand wurde mit Hilfe französischer Truppen brutalst niedergeschlagen. Hunderte brachten sich um, bevor sie gefangen genommen werden konnten. So konnten sie der Folterei und Exekution entgehen.

Im Todesjahr Christians VI 1746 zählte man auf den drei dänischen Junferninseln 17.000 Sklaven – obwohl die Willkürherrschaft und die Gesundheitsverhältnisse als geradezu “mörderisch” galten. (Quelle: Stefan Winkle a.a.O. )
Der dänische “Slave Code St. John” und der Aufstand in der Regierungszeit Christians VI nimmt eine wichtige Stellung in der postkolonialen Erinnerungskultur der Karibik ein. Erst 1848 führte ein erneuter großer Sklavenaufstand zur Aufhebung der Sklaverei auf den dänischen Karibikinseln, mit denen auch Altonas Handel und Wirtschaft eng verknüpft war.
Aus der grausamen Geschichte des globalen Sklavenhandels kann kein “selbstbewusstes Zeichen für die Neubelebung eines ganzen Stadtteils” (Zitat k-werkstatt) abgeleitet werden. Selbst wenn der absolutistisch herrschende und nur derart bedingt aufgeklärte dänische König Gutes für Altona (Gründung Christianeum; Bau Christianskirche, St. Trinitatis) geleistet hat, dürfen seine kolonialen Schattenseiten nicht ignoriert werden. Gegen den dänischen Sklavenhandel ging schon Friedrich Struensee vor. Ein solcher König eignet sich nicht als Namensgeber für einen in die Zukunft blickenden Stadtteil, der auch PartnerInnen und BesucherInnen aus anderen Kontinenten einlädt. Und die verdrängte und vergessene Kolonialgeschichte Altonas, Hamburgs und des Unterelberaums gehört erforscht und erinnert. […]

vr

“Jugendliche verprügeln schwarzen US-Bürger”: lückenhafte Berichterstattung

folgender Artikel findet sich seit dem 20.10. auf Spiegel Online:

Jugendliche verprügeln schwarzen US-Bürger
Sie pöbelten, stießen die Frau zu Boden, dann schlugen sie zu: Vier Jugendliche in Berlin haben einen schwarzen US-Bürger und seine Freundin angegriffen. Die Polizei konnte sie kurz danach festnehmen.

Berlin – Die Berliner Polizei teilte am Abend mit, dass die Jugendlichen im Alter von 16, 17 und 19 Jahren den US-Bürger “aufgrund seiner Hautfarbe” angegriffen hätten.
Dennoch gebe es keine Hinweise auf eine fremdenfeindliche Tat, hieß es in der Polizeimeldung.
Der Übergriff ereignete sich in der Nacht zum Samstag gegen 2 Uhr in der Seegefelder Straße in Spandau. Die Täter hätten zunächst die 27-jährige Freundin des Mannes zu Boden gestoßen. Nachdem er ihr zu Hilfe eilte, konnten beide zunächst flüchten.
Nach wenigen Metern schlugen die Täter den 37-Jährigen zu Boden und traten anschließend auf ihn ein. Danach flüchteten die vier jungen Männer. Alarmierte Polizisten nahmen die Schläger noch in der Nähe fest. Der Mann wurde leicht verletzt, seine Freundin nicht. Die Kriminalpolizei hat inzwischen die weiteren Ermittlungen übernommen.
pav/AFP

Es drängen sich die Fragen auf:

1) Warum wird das Paradoxon, der Übergriff sei “aufgrund seiner Hautfarbe” erfolgt, aber “nicht fremdenfeindlich” unkommentiert stehen gelassen?

2) Weshalb wird nicht erwähnt, wie die Täter aussehen und welche Nationalität sie hatten? Waren es weiße Deutsche?

3) Warum ordnet Spiegel Online die Meldung unter den dramatischen Überschriften “Politik” und “der braune Sumpf” und sogar “Rechtsextremismus in Deutschland” ein? Es liegt bisher kein Hinweis darauf vor, dass die Täter politisch organisiert oder gar rechtsextrem wären.

So viel Anstrengung, nur um das Kind nicht beim Namen nennen zu müssen: Rassismus. Gleichzeitig wird die Tat an den rechten Rand geschoben und so künstlich aus der Mitte der Gesellschaft entfernt, wo genau dieser Diskurs und eine Beschäftigung mit Rassismus längst überfällig sind.

HIER gibt es Nachhilfe: Informationen fu”r JournalistInnen zum korrekten sprachlichen Umgang mit rechtsextremistischen oder rassistisch motivierten Straftaten zum Download

Screenshot von Spiegel Online, man beachte die Überschriften:

Screenshot_Spiegelonline

Sw

Schräge Gleichstellungskampagne

Hamburger Homo-Kampagne

Dies ist das Motiv einer Kampagne für die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Nun versteh ich nicht:

  • Warum ist auf dem Plakat ein Hetero-Paar (bzw. zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts)? Auf der zugehörigen Postkarte stehen alle Erklärungen auf der Rückseite, so dass man beim ersten Ansehen gar nicht versteht, dass das Motiv etwas mit Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften zu tun hat.
  • Warum ist davor ein Schwarzes Mädchen – und in dieser seltsamen Pose mit Finger im Mund?!
  • Welche Assoziationen sollen mit dem Zusammenspiel von 2 weißen “Eltern”, einem Schwarzen Kind und dem roten Wort “ABGELEHNT” hervorgerufen werden?

Wer hat ne Idee???

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“Mein Inneres interessiert mich nicht!”: überhebliche Interviewerinnen nerven die britische Schriftstellerin Zadie Smith

Aufreger-Zusendung von Andreas:

(…) also ich wollte (…) nur auf dieses Tsp.-Interview von Zadie Smith, die britische Schriftstellerin ist, aufmerksam machen, es ist grotesk zu sehen, wie ahnungslos und dabei noch selbstbewusst-nachhakend der Interviewer in die typischen Stereotypie-Fettnaepfe weisser Europaer stapft, es geht (fuer ihn) um die Frage, warum die Figuren ihres neuen Romans eingentlich schwarz seien, warum die Konfliktlinien nicht zwischen schwarz und weiss sondern zwischen schwarzen Unterschichts- und Mittelschichtsfamilien verlaufen, sie versteht natuerlich die Frage nicht: warum schwarz, das schwarze als Abweichung, Deviation der Norm, Schwarz als Symbol fuer Abweichung unter denen die Subjekte zu verschwinden scheinen:

“Mein Inneres interessiert mich nicht!”

Anmerkung der Red.: recht unverschämt ist auch schon die Wahl des Titels, der eine Aussage aus dem Zusammenhang reisst, und dadurch die Autorin ignorant erscheinen lässt. Den Behauptungen, dass es in Norwegen und Deutschland keine Schwarzen gebe, wird auch nicht widersprochen, was in diesem Kontext auffällig ist und auch so gewertet werden kann als sei dies eine Feststellung, auf die man Wert lege, und keine Wissenslücke (die man ganz einfach hätten schließen können).
Sw