Ron Williams zu den Übergriffen in Mügeln:
Es heißt doch “Rassismus”!

+++++Pressemitteilung der Stiftung Leben ohne Rassismus+++++

Als schwarzer Mensch habe ich schon wieder dieses unangenehme Gefühl im Bauch, dass das Problem “Fremdenfeindlichkeit”, “Fremdenhass” oder “Ausländerfeindlichkeit” nach dem neuen brutalen Angriff auf acht Inder in Mügeln/Sachsen, erneut zu lauten und empörten Reaktionen des Entsetzens und Bedauerns von Politikern und Justiz führen wird ” geführt hat “, ohne dass sich wirklich etwas ändern wird.

Ich bin erstaunt und bekümmert, wie die gleichen Abläufe der Reaktionen der zuständigen Behörden, regionale, Landes- und Bundespolitiker und sogar Kirchenführer nach solchen Verbrechen zu erleben sind.

Was sind die Gründe? Will man hier, wie auch in manch anderen Ländern, den gesellschaftlich verankerten Rassismus nicht wahrhaben? Schon allein die vom Verfassungsschutz veröffent¬lichte Zahl von über 20% Anstieg der Gewaltakte gegenüber Schwarzen und Menschen mit Migrationshintergrund seit Anfang 2007, sollte der Anlass sein, dieses Problem als “dringend” einzustufen. Solange von deutschen Staatsbürgern Ausrufe wie “Ausländer raus!” und “dies ist national befreites Gebiet!” zu hören sind, kann man sich hier als demokratisch fühlender Mensch ” In- oder Ausländer, Tourist oder Investor ” einfach nicht wohlfühlen.

Der Vorschlag von Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, die Zuständig¬¬keit für den Kampf gegen Rechts vom Familienministerium ins Innenministerium zu verlagern, ist meines Erachtens richtig. Familienministerin Ursula von der Leyen sollte diesen Vorschlag erneut überdenken, denn die Zeit drängt.

Ein Freund, der afro-deutsche Tahir Della, Leiter der Zweigstelle München “Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland e.V.” bringt es auf den Punkt mit vier Fragen und anschließender Feststellung:

1.     Warum kommen noch immer rassistische Straftäter mit vergleichsweise milden Urteilen  davon?

2.     Wieso werfen sich Menschen, die offensichtlich nicht von Rassismus betroffen sind, in öffentlichen Diskursen gegenseitig Argumentationsbälle zu, während Menschen mit Rassismus-Erfahrungen bestenfalls ihre Opferrolle ausfüllen dürfen, aber nicht als fachlich kompetente Gesprächspartner angefragt und anerkannt werden?

3.     Weshalb legt das Bildungssystem keinen Wert auf eine längst notwendige     Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte?

4.    Wieso fällt es so schwer, rassistische Begriffe und Bilder aus Schulbüchern zu     entfernen?

Als Amerikaner komme ich aus einem Land, in dem dieses Problem auch heute leider noch allgegenwärtig ist. Ich habe immer gehofft, dass Deutschland nicht den gleichen Fehler macht, wie zu viele US-Politker und Gesellschaftsführer sowie die Bürger: Über die Jahrzehnte das Problem “Rassismus” zu verharmlosen und nicht konkret anzugehen. Die traurigen Resultate sind heute in der US-Gesellschaft deutlich sichtbar.

Tahir Della:
“Rassismus darf keine medienwirksame Eintagsfliege bleiben, sondern muß zum gesellschaftlich relevanten Dauerthema werden.”

Ich stimme dem Mann zu. Es wäre schön jemanden wie ihn z.B. in TV-Talkrunden öfter zu Wort kommen zu lassen.

Ron Williams
Sänger, Schauspieler, Entertainer
Schirmherr “Stiftung Leben ohne Rassismus”
Träger des Bundsverdienstkreuzes
verliehen für sein Engagement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
Tel. 089 226846 , www.ron-willams.de

PM des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd) zum einjährigen Bestehen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

1 reply
  1. Andreas
    Andreas says:

    ..Rassismus ist in Deutschland moeglicherweise ein Tabu-Thema viel staerkeren Charakters als etwa in den USA wo ja die Sklaverei als element der Geschichte immer offensichtlich war, ich erinnere mich, vor einigen Jahrene erstmals mit Massakern, Genoziden der deutschen Kolonialherrschaft konfrontiert worden zu sein, es war anlaesslich eines Theaterstuecks im Berliner HAU, das sich mit dem Massaker an den Herero befasste, natuerlich kann das ein individueller ‘blind spot’ sein, Tatsache ist aber, dass der politische Geschichtsunterricht in Deutschland sich mit Paepsten, Kaisern und Nationalversammlungen befasst, aber, aehnlich wie die Sichtweise auf andere Dimensionen von Kultur, klaeglich am nationalen Tellerrand strandet, insbesondere wird der Mythos fortwirken, die Deutschen seien ja im Grunde nicht am Kolonialismus beteiligt gewesen, all das lebt ja heute selbst in ‘linken’ Kreisen fort. Rassismus ist kein Element eines ‘normalen’ Diskurses in Deutschland, seine Allgegenwaertigkeit korrespondiert mit seiner Verdraengung in Richtung auf das ‘andere’, die nebuloese Katastrophe,. die das ‘Wirkliche’ von der Faktizitaet der Geschichte oder der Zeitungsmeldungen zu trennen scheint, Rassismus ist immer da, wo man selbst nicht ist, Rassismus ist immer zuviel, er hat keinen Keim in der Wirklichkeit alltaeglicher Erfahrung, er qualifiziert den Betroffenen in doppeltem Sinne zum ‘anderen’.

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