8.9.: Brief an STERN.de (“Plattform für Rassephantasien”)

Chefredakteur Stern.de
Frank Thomsen
Redaktion
Henry Lübberstedt und Lutz Kinkel
Sport
Jens Fischer und Klaus Bellstedt

Hamburg, 8.9.2008
Betr.: Stern.de – Plattform für Rassephantasien

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir sind eine Media-Watch-Organisation, die sich vor allem auf öffentlichen Diskurs und Informationen für JournalistInnen bezüglich rassismusfreier Berichterstattung konzentriert.
(…)

Wir stellen mit Bedauern fest, dass Sie sich als Plattform für einen Rückschritt in Rassephantasien angeboten haben.

Besorgte LeserInnen haben sich mit Zuschriften an uns gewandt, wegen Ihres Beitrages
“Einfach eine Schweinerei” http://www.stern.de/olympia2008/wettkampf/leichtathletik/:Interview-Tobias-Unger-Einfach-Schweinerei/635488.html

In diesem Interview fragt der STERN von sich aus, unmotiviert: “Haben die dunkelhäutigen Läufer auch anatomische Vorteile?” und druckt darauf hin die rassistische Antwort ab, ohne sie im Mindesten zu kontextualisieren oder als rassistisch kenntlich zu machen. Dadurch entsteht der Eindruck, das Gesagte sei eine “normale” Meinung.

Ihnen scheint da etwas entgangen zu sein. Weder ist es wissenschaftlich haltbar noch aus historischer Sicht angeraten, Schwarzen oder weißen Menschen pauschal spezifische körperliche Eigenschaften/Prädispositionen zuzuschreiben. Es ist besonders erschreckend, dass Ihnen als meinungsbildendem Medium, das den Anspruch diskriminierungsfreier Berichterstattung hat anscheinend nicht klar (oder egal) ist, dass es sich bei den Behauptungen in benanntem Text um rassistische Konstruktionen in Reinform handelt.

Anbei finden Sie eine Erklärung mehrerer Wissenschaftler einer UNESCO-Konferenz, dass der Versuch einer biologischen Einteilung von Menschen in “Rassen” (und damit selbstverständlich erst recht die noch viel pauschaleren “dunkelhäutig” und “weiß”) unwissenschaftlich und nicht haltbar ist. Das gehört eigentlich zu sportjournalistischem Grundwissen. Es ist schade, dass dies Ihrer Chef- und Schlußredaktion nicht aufgefallen ist.

Diese Art der Berichterstattung ist außerdem gefährlich, denn sie trägt zweifellos dazu bei, dass die überkommenen und unzulässigen Rassentheorien sich in den Köpfen fest- und fortsetzen.
Auch erweckt der Beitrag in vollem Umfang den Anschein, dass sich die Autorenschaft und Redaktion von der Rassen-Ideologie nicht etwa distanzierten.
Dies liegt ja sicher nicht in Ihrem Sinne.(?)

Umso trauriger ist es, dass der “Unfall” nicht etwa einfach ein gedankenlos geäußerter und übernommener Interview-O-Ton ist, sondern erst die Frage des STERN dem ganzen Thema eine rassistische Dimension hinzufügt, freilich ohne das ganze als solches aufzulösen.

Rassismus in seiner heutigen Definition schließt bereits mit ein: “der Glaube, dass Menschen aufgrund ihrer genetisch bedingten ethnischen Merkmale bestimmte Prädispositionen jedweder Art haben oder sich in “Rassen” einteilen lassen”.

Wie ein Leser in seinem Brief schrieb, ist diese Art der Berichterstattung ein großer Rückschritt. Denn durch sie wird aus der Leichtathletik plötzlich ein “Kampf Schwarz gegen Weiß” und nicht -wie es sich gehört- um den Wettbewerb unter LäuferInnen verschiedener Nationen.

Und ein anderer Leser schreibt in seiner Zusendung -wie wir finden zutreffend-:

Bis heute vertreten rechtspopulistische Politiker völkische Theorien, warum die einen genetisch bedingt besser oder schlechter sein würden als die anderen. Man übersieht, dass in der Leichathletik nicht ein Volk oder eine Ethnie generell dominiert, selbst wenn man heute eine Bestandsaufnahme machen würde. Man sieht das im Zehnkampf oder in der Mittel- und Langstrecke. Dass Afroamerikaner bis in die 1960iger Jahre beispielsweise nicht zur gleichen Zeit das Schwimmbad benutzen durften [wie Weiße] und keinen Zutritt zu Golfklubs hatten, das denkt man nicht mit (…).
Mit solchen scheinwissenschaftlichen Kurzartikeln eröffnen sie die völkisch-rassische Diskussion, die beim Laufen anfängt und bei anderen Dingen fortgesetzt wird und Gobineau, Stewart-Chamberlain, Lanz von Liebenfels, usw. schon vorher gedacht haben und anscheinend noch immer nicht aus den Köpfen verschwunden ist.” Schade, dass sie jetzt sogar vom STERN Schützenhilfe bekommen.

Sport hat seit jeher eine Vorreiter- und Vorbildrolle hinsichtlich ethnischer Gleichberechtigung und Gleichbehandlung gespielt.

Bitte arbeiten Sie daran, dass Ihre Berichterstattung künftig fundiert informiert und auf Augenhöhe erfolgt.

— Mit freundlichen Grüßen,

der braune mob e.V.
media-watch – schwarze deutsche in medien und öffentlichkeit

— http://www.derbraunemob.info —

Bitte beachten Sie, dass dieser Briefwechsel von uns öffentlich geführt wird, und wir dieses Anschreiben wie auch Ihre eventuelle Antwort zu Zwecken der Lehre, Dokumentation und Aufklärung veröffentlichen.

1 reply

Leave a Reply

Want to join the discussion?
Feel free to contribute!

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *