Kein Fernsehtipp – Afrika im Herzen (ARD)

via BlackNRW

[ND] »Mängel im Paradies« Kritische Anmerkungen zum Afrika-Bild im deutschen Fernsehen:

Das Fernsehen zeigt Afrika meist nur aus zwei Perspektiven: Als Armutshölle oder Romanzenkulisse. Deutsche wie Christine Neubauer in »Afrika im Herzen« (heute, 22.12., 20.15 Uhr, ARD) verkörpern diesen Philorassismus als selbstlose Helfer im Kreise folkloristischer Eingeborener.


Denkt er ans Image seiner Heimat in den Medien, flüchtet sich Binyavanga Wainaina gern in Galgenhumor. »Zeigen Sie niemals das Bild eines modernen Afrikaners«, rät der kenianische Schriftsteller in einer Anleitung zum Korrespondentenbericht. »Verwenden Sie stattdessen: eine Kalaschnikow, hervortretende Rippen, nackte Brüste.« Außerdem sei Afrika stets als Gebiet zu schildern, in dem Wetter, Kriege und Tiere, Rhythmus, Riten, Krankheit, Tod und Misserfolg regieren.

Und vor allem: als ein Land, trotz über 50 Einzelstaaten”.

” Wenn Christine Neubauer also heute in der Degeto-Schnulze medizinisch Namibia rettet, titelt die ARD: »Afrika im Herzen«.
” Wenn sich die SOKO Leipzig gut zwei Wochen später ins einstige Deutsch-Südwest begibt, nennt es das ZDF: »Verloren in Afrika«.
” Wenn Katja Flint am 31. Januar ihre Abenteuer am Kap der Guten Hoffnung erlebt, heißt es im Ersten: »Stürme in Afrika«.
” Und selbst arte preist seine Dokureihe zum Jahresbeginn als »Wildes Afrika«. Verlorene Herzen in stürmischer Wildheit. Das zieht immer.
[…]

So lassen die Öffentlich-Rechtlichen Hunger lieber Hunger sein und erfolgreiche Agrarprojekte äthiopischer Fraueninitiativen links liegen. Für ernste Themen haben sie ja arte und für stärkeren Tobak »Weltspiegel« oder die Nacht. Was zur Primetime zählt, sind weiße Identifikationsfiguren auf paternalistischer Exkursion. Auswanderer, Farmer, Ärzte, Kinderheimbetreiber, alle gut und selbstlos wie Günther Maria Halmer in der ARD-Romanze »Mein Traum von Afrika«. Das Ganze umrahmt von blutroten Sonnenuntergängen, Safaris am Kilimandscharo oder lachenden Buschkindern.

Und wenn Krieg, Unterdrückung, Armut doch fiktional thematisiert werden, dann auf der sicheren weil historischen Seite. So spielte »Afrika, mon Amour« mit Iris Berben in einer Epoche, da Dunkelhäutige noch N***r waren und macht es sich so leicht: Über Rassismus, Fremdheit und Fernweh im 1. Weltkrieg zu erzählen, befreit die Filmemacher unterm Deckmantel geschichtlicher Chronistenpflicht von jedem Aufklärungsdruck. Wer hielt Schwarze damals nicht für Wilde?

Heute hält man sie eher für bemitleidenswert bis niedlich. Christine Neubauer ist sich folglich nicht zu blöd, heute bereits zum dritten Mal die selbstlose Ärztin Katrin Berger zu spielen, umgeben von Ureinwohnern, die zwar keinen Fetzen westlicher Kleidung überm Baströckchen tragen, aber akzentfrei deutsch reden. Da wird Geld für ein Waisenhaus akquiriert, da grasen Zebras im Vorgarten, da sind die Ne “, pardon: Far***** stets fröhlich dienstbar. Dabei grenzt der Respekt, den sie von zugereisten Philanthropen wie Neubauer erfahren, an Schönfärberei. Egal ob zu Zeiten, als der edle Wilde von Carl Hagenbeck ausgestellt wurde, oder jetzt, wo Afrika als hoffnungsloser Fall humanitärer Verrohung gilt, verklärt das Genre die Afrikaner zu Gleichberechtigten, auch wenn sie meist Tabletts halten oder Geister vertreiben. Für die deutsche Kolonialgeschichte bleibt da ebenso wenig Platz wie für positive Entwicklungen der Gegenwart. Afrika gibt es nur als Kontinent der Extreme oder Verliebten: im Drehbuch als Paradies mit Mängeln, im Reportageskript als Mangel im Paradies.
“”

editierte Version; der vollständige Artikel erschien auf Neues Deutschland online

Autor: Jan Freitag
»Mängel im Paradies« Kritische Anmerkungen zum Afrika-Bild im deutschen Fernsehen

4 replies
  1. Caro
    Caro says:

    ich finde der bericht trifft es absolut
    afrika ist ein kontinent und KEIN Land
    man sollte auch die positiven entwicklungen darstellen und nicht immer nur das negazive bild von “afrika” vertiefen.

    Respektvolle grüße
    Caro A Maliaz

  2. Larissa
    Larissa says:

    So sehe ich das auch. Afrika? Ich sage auch nicht ich lebe in Europa.

    Hasse auch dauernde Filme über die schlauen, weissen Gutmenschen die sich um die dummen,dreckigen Schwarzen kümmern und ihr Leben retten und sie zu besseren menschen machen blablabla.

    Freue mich über so einen bericht. Was viele Denken sollte auch mal ausgesprochen werden.

  3. Ich aber
    Ich aber says:

    Ich sage aber, ich lebe in Europa. Und auch ich würde gerne mal nach Amerika fahren. Das ist kein Rassismus!

    Ich bin zwar überzeugt davon, dass es überall und alltäglich Rassismus gibt. Der Titel “Afrika im Herzen” ist aber kein Rassismus sondern gibt sich sofort als dümmliche Schnulze zu erkennen!

  4. Nina
    Nina says:

    Dem Bericht ist nur zuzustimmen. Dieses zwiespältige Verhältnis, einerseits romantische Verklärung, andererseits abschreckende Berichterstattung von Hunger und Krieg führt doch letztlich nur zu einem: Es umgeht eigentlich nur eine tatsächliche Konfrontation mit der “Wirklichkeit” bzw. den mannigfaltigen, unterschiedlichen Wirklichkeiten, über die man stattdessen berichten könnte. Irgendwie bekommt man aber durch diese Auswahl an “Afrika”-Darstellungen und die damit verbundenen Einschaltquoten den Eindruck, dass man sich in Deutschland für “realistische” Berichterstattung nicht wirklich interessiert. Erschreckend, denn es zeigt doch eigentlich, wie wenig sich das Fernsehen und, damit verbunden, die öffentliche Meinung mit den Denkstrukturen, die aus der Kolonialzeit übriggeblieben sind, ernsthaft auseinander gesetzt hat. “Afrika im Herzen” und viele andere Machwerke dieser Art sind meiner Ansicht nach in jedem Fall rassistisch, allerdings nicht nur, und das ist wichtig hervorzuheben: Es betont ebenfalls wieder einmal, auch sehr oft zu beobachten, ein sehr frauenfeindliches Stereotyp, dass das weibliche Geschlecht am besten in diese “Krankenschwester”-Rolle passt (auch wenn sie hier als “moderne Frau” und “Ärztin” auftritt), gefühlvoll, verständnisvoll, aufopfernd – die “Übermutti” für alle Patienten jeglicher Hautfarbe… Dieser, wie der Artikel zu Recht sagt, vermeintlich philanthropische Ansatz ist rassistisch und frauenfeindlich und schlichtweg: BLÖD!

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