Dessau und Berlin, 7.1.2012: Mahnwache, Demo, Soli für Oury Jalloh

NEU vom 6.1.: Gemeinsame Fahrt auch aus Hamburg, mit dem Zug; Treffpunkt: Reisezentrum Hauptbahnhof, Sa, 07.01.2012, 06:20 Uhr

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via Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V.

in Trauer gedenken wir Oury Jalloh, der vor sieben Jahren im Dessauer Polizeirevier umgebracht wurde. Aus diesem Anlass gibt es diesen Samstag, den 7. Januar 2012 eine Mahnwache in Dessau.

Samstag | 7. Januar 2012; 1. Mahnwache in Dessau ab 13:00 Uhr

Gemeinsame Abfahrt von Berlin mit Bus und Bahn: Treffpunkt 10:30 Uhr vor dem Hotel PARK INN am Taxistand (Alexanderplatz)
Spenden für Reisekosten sind herzlich willkommen
any questions will be answered here: mobil: 0176-38113135 | e-mail: initiative-ouryjalloh@so36.net

Hier geht’s zur Facebook-Seite der Demo

Abends am 7.2. gibt es dann eine Soliparty in Berlin mit Open Mic ab 21:00 Uhr; hier geht es zu den aktuellen Veranstaltungsinfos.

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Oury Jalloh – Die Prozesstermine im Januar:

Montag | 9. Januar | Prozessbeobachtung*
Freitag | 13. Januar | Prozessbeobachtung*
Donnerstag | 19. Januar | Prozessbeobachtung*
* Abfahrt von Berlin: Treffpunkt 6:30 Uhr vor dem Hotel PARK INN am Taxistand (Alexanderplatz)

 

(Unsere Blog-Dokumentation: https://blog.derbraunemob.info/page/2/?s=Oury )

 

5 replies
  1. Red. der braune mob
    Red. der braune mob says:

    via http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2012/01/06/an-die-polizei/ :

    An die Polizei
    Freitag, 6. Januar 2012 von initiativeouryjalloh
    An die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost
    An das Polizeirevier Dessau-Roßlau

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    über Vertreter der Black Community haben wir erfahren, dass Sie für die geplante Mahnwache und Demonstration morgen, Samstag, den 7. Januar, Slogans und Transparente mit der Aufschrift „Oury Jalloh, das war Mord“ verbieten wollen. Da der beanstandete Slogan weder individuell ehrverletzend noch polizeikollektiv beleidigend ist, sondern im übertragenen Sinne allgemein die Überzeugung von Bürgerinnen und Bürgern zum Geschehen am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeigewahrsamszelle ausdrückt, ist diese mit der grundrechtlichen Meinungs- und Redefreiheit in vollem Umfang gedeckt. Dazu gehören auch alle Vermittlungsmedien wie Transparente und Plakate. Ein Verbot wird nachträglich gerichtlich keinen Bestand haben.

    Mit dieser Auflage suchen Sie bereits im Vorfeld die Konfrontation mit den veranstaltenden Organisationen und behindern deren grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit. Sie schaffen kurzfristig vor allem polizeiliche Eingriffsrechte, die jedoch auf einer rechtswidrigen Auflage beruhen. Angesichts Ihrer vordringlichen gesetzlichen Aufgabe, nämlich Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger zu schützen, ersuchen wir Sie, diese grundrechtswidrige Versammlungsauflage zurückzunehmen. Wir weisen darauf hin, dass jeder Versuch ein solches Verbot umfassend durchzusetzen, nur eskalierend wirken kann.

    Als Versammlungsbehörde sollten sie hingegen alles in ihre Macht stehende unternehmen, damit Versammlungen friedlich stattfinden können.

    Das Komitee für Grundrechte und Demokratie wird morgen mit einem Vertreter an der geplanten Mahnwache und Demonstration in Dessau zugegen sein.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dirk Vogelskamp

    Komitee für Grundrechte und Demokratie
    Aquinostr. 7-11
    50670 Köln
    Tel.: 0221 | 972 69 30
    Fax: 0221 | 972 69 31
    dirkvogelskamp@grundrechtekomitee.de

  2. Red. der braune mob
    Red. der braune mob says:

    Dessau Breaking News: Nicht enden wollende Polizeibrutalität auf der 7. Protestdemo in Gedenken an Oury Jalloh

    The VOICE Refugee Forum verurteilt aufs Schärfste die massive Polizeibrutalität in der Demonstration im Gedenken an Oury Jalloh in Dessau am 7. Januar 2012.

    Zusammenfassung der Augenzeugenberichte

    Massive Präsenz armierter Polizei, mindestens 60 schwer bewaffnete Polizisten, die Anwesenheit von insgesamt mindestens 100 Beamten – wesentlich mehr als in den letzten Demonstrationen – machten von Anfang an deutlich, dass die Polizei auf Konfrontation ausgerichtet war.
    Durchwegs war das Verhalten der Polizei provokativ und äußerst aggressiv.
    Die Polizisten versuchten beständig, die Demonstranten nervös zu machen und schlugen wahllos auf die Demonstranten ein.

    Gezielt wurde von Anfang auf die führenden Aktivisten der
    Oury-Jalloh-Kampagne: Komi Edzro, Mbolo Yufanyi und insbesondere Mouctar Bah losgegangen.

    MboloYufanyi wurde vor Beginn der Demo zweimal durch die Polizei geschlagen. Er wurde am Auge verletzt, so dass er blutete, als er versuchte, sich schützend vor Mouctar Bah zu stellen. Er musste sich einer Behandlung durch einen Augenarzt unterziehen. Mouctar Bah war vor, während und am Ende der gesamten Demonstration Zielscheibe der polizeilichen Angriffe. Die strategisch geplante Aggression gegen ihn war zwei Tage im Vorfeld angekündigt worden, als zwei Polizisten in seinen Laden in Dessau kamen und ihm drohten, dass er für jeden Demonstrationsteilnehmer, der im Zusammenhang mit Oury Jalloh das Wort „Mord“ benützen würde, verantwortlich gemacht würde. Eine Auflage, dass bestimmte Aussagen während der Demonstration nicht gemacht werden dürften, hatte es nicht gegeben.

    Von Beginn an wurde immer wieder versucht, unter Vorwänden – zum Beispiel einer Kreideaufschrift am Boden mit den Worten „Oury Jalloh – das war
    Mord“ – die Demonstrationsteilnehmer aufzuhalten, den Beginn der
    Demonstration zu verzögern oder sie ganz zu verhindern. Als weiterer Vorwand für Konfrontationen und Verzögerungen wurden seitens der Polizei spontan eingeführte Auflagen hinsichtlich der Plakate genutzt.

    Die Demonstration selbst, an der mindestens 200 Personen teilnahmen, verlief abgesehen von zwei Versuchen der Polizei, den Umzug zu stoppen, weitgehend ruhig.

    Gegen Ende der Demonstration, ca. gegen 17.00, begann die Polizei im Bahnhofsgebäude wiederum mit massiver Gewalt gegen die Demonstranten vorzugehen. Die Polizisten drangen in das Bahnhofsgebäude und gingen mit Pfefferspray auf die Menschen los. Augenzeugen berichten von grundlosen Angriffen, „aufgeregtem Herumschubsen“ und Schlagen seitens der Polizisten, auch gegenüber Fotografen und einem Arzt. Einer Frau aus Hamburg wurde der Kopf gegen die Wand gestoßen, andere wurden ins Gesicht geschlagen.

    Opfer gezielter Gewalt wurden wiederum prominente Aktivisten der Oury-Jalloh-Kampagne.
    Mouctar Bah hat ein Polizist mit seinem Helm am Kopf getroffen, er wurde auf den Kopf und in den Bauch geschlagen und mit Pfefferspray angegriffen.
    Er verlor vorübergehend das Bewusstsein und musste mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden, wo er über Nacht dabehalten werden muss.
    Auch Komi Edzro und Abraham Habtemariam wurden verletzt. Sie mussten vor Ort von Sanitätern behandelt werden.

    *****

    Die Beispiellosigkeit der Gewalt der Polizei am heutigen Tag ist Fortsetzung und Steigerung des brutalen Vorgehens auf den Demonstrationen gegen Ende des ersten Prozesses vor dem Gericht in Dessau und vermutlich angesichts der erwarteten Straflosigkeit im Falle des Mordes an Oury Jalloh vor dem Gericht in Magdeburg bewusste Kalkulation. Unsere Position und unseren Protest bestärkt sie nur.

    Wir werden weiterhin die deutsche Polizei im Fall Oury Jalloh darüber informieren, dass wir keine Zombies des rassistischen Law-and-Order-Prinzips sind und dass wir genug haben von polizeilicher Brutalität. Doch sie bestärkt nur unsere Entschlossenheit, unseren Protest fortzusetzen, so lange es auch dauern mag, bis wir Flüchtlinge und MigrantInnen die deutschen Behörden gelehrt haben, was Zivilisation im Sinne einer menschlichen Entwicklung für alle eigentlich bedeutet.

    Beim Protest für Oury Jalloh geht es um Leben und Tod, Zivilisation und Unzivilisiertheit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Bei unserem Engagement geht es nicht nur um das Siegen oder um den Sieg der Gerechtigkeit, sondern vor allem darum, die Ungerechtigkeit in den Institutionen und insbesondere in der Polizei zu entlarven und zu verurteilen.

    Die Kundgebung, am Montag, den 9.1. 2012, um 09:30 Uhr vor dem Landgericht in Magdeburg, wird die nächste Gelegenheit dazu sein.

    Wir bitten alle Teilnehmenden, die das Geschehen auf Foto- oder Filmmaterial dokumentiert haben, uns dieses zur Dokumentation zur Verfügung zu stellen.”

    MZ-Artikel:
    http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1325924634639

    “Mindestens ein Demonstrant wird schwer verletzt” – mz-web.de

    “Mouctar Bah, maßgeblicher Mitstreiter einer Initiative, die auf Aufklärung des Todes von Oury Jalloh drängt, ist am Sonnabend zum Abschluss einer Demonstration zur Erinnerung an Oury Jalloh in Dessau schwer verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert worden…”

  3. Red. der braune mob
    Red. der braune mob says:

    Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.

    Pressemitteilung

    München, 8. Januar 2012

    Verstoß der Dessauer Polizei gegen Meinungs– und Versammlungsfreiheit

    Der Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V. verurteilt die Gewalt der Dessauer Polizei gegenüber friedlichen Demonstranten bei der Kundgebung zum 7. Jahrestag der Ermordung Oury ­Jallohs, gestern, am 07.01.2012 in Dessau.

    Die angemeldete friedliche Demonstration zum Gedenken an unser Bruder Oury Jalloh, der vor sieben Jahren in Polizeigewahrsam in Dessau durch Verbrennung zu Tode gekommen ist, wurde von der schwer bewaffneten Dessauer Polizei brutal und ständig angegriffen. Es wurden zahlreiche Demonstranten durch die Polizei verletzt. Der Initiator der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Herr Mouctar Bah, wurde mehrmals von der Polizei angegriffen. Gegen Ende der Kundgebung wurde Herr Bah von mehreren Polizisten bewusstlos geschlagen und ins Krankenhaus eingeliefert.

    Grund des Versuchs, die Demonstration zu verhindert und Grund für die brutale Polizeigewalt im Umfeld der Demonstration, sei die Aussage „Oury Jalloh, das war Mord“. Polizisten hatten schon im Vorfeld Mouctar Bah in seinem Internetcafé aufgesucht und versucht, ihn unter Druck zu setzen, damit der Slogan nicht bei der Demonstration verwendet würde. Diese Slogan entspricht aber der Meinung der Schwarze Community in Deutschland und kann nicht verboten werden, da er niemanden beleidigt wird, sondern damit eine lückenlose Aufklärung des Falles gefordert wird. Aus diesem Grund sind diese brutalen Attacken der Dessauer Polizei einen Verstoß gegen unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit und die Demonstrationsfreiheit.

    „Als wir gestern aus München zur Demonstration in Dessau eintrafen, waren wir sehr schockiert, dass, obwohl die Demonstration noch nicht angefangen hatte, schon einige unsere Freunde und Aktivisten verletzt worden waren. Es ist sehr schade, dass in einem Land, das die Werte der Demokratie vertritt, eine friedlichen Kundgebung im Gedenken an einen im Unrecht verlorenen Menschen von den Sicherheitskräften brutal unterbunden wird, aber Neonaziaufmärsche im Namen der Meinungsfreiheit von diesen sehr gut beschützt werden“, so Hamado Dipama vom Vorstand des Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.

    Wir fordern gemeinsam mit der Initiative im Gedenken an Oury Jalloh eine Überprüfung bzw. Ermittlung dieser brutalen Vorgehensweise der Dessauer Polizei.
    Ebenso fordern wir einen lückenlose Aufklärung des Todes Oury Jallohs.

    Am 9. Januar 2012 wird der Oury Jalloh-Prozess fortgesetzt,
    am 19. Januar 2012 ist die Urteilsverkündung anberaumt.

    Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

    AK Panafrikanismus München e.V.
    AugsburgerStraße 13
    80337 München
    Tel: 089-416159959
    Tel: 0176 – 620 67 359
    Fax: 089 – 76 22 36
    sekretariat@panafrikanismusforum.net
    http://www.panafrikanismusforum.net

    (Fotos Umbruch Bildarchiv — http://umbruch-bildarchiv.de/)

  4. Red. der braune mob
    Red. der braune mob says:

    Neue Prozesstermine via http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2012/01/11/der-prozess-geht-weiter/:

    Liebe Aktivist_innen,

    In der Verhandlung vom 9. Januar 2011 hat das Gericht folgende weitere Termine im Fall Oury Jalloh über den 19.01.2012 hinaus festgesetzt. Die Nebenklage hat umfangreiche Beweisanträge gestellt. Eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit das Gericht den Anträgen nachgeht, wird in an einem der nächsten Sitzungstage verkündet. Zur Zeit prüft das Gericht die Anträge.

    Kommende Prozesstermine sind:
    Freitag, 13. Januar 2012, 09:30 Uhr
    Donnerstag, 19. Januar 2012, 09:30 Uhr
    Mittwoch, 25. Januar 2012, 09.30 Uhr
    Donnerstag, 16. Februar 2012, 09.30 Uhr
    Dienstag, 06. März 2012, 09.30 Uhr
    Freitag, 13. März 2012, 09.30 Uhr

    Start vor dem Landgericht Magdeburg jeweils 9:30 Uhr, Halberstädterstr. 8, 39112 Magdeburg, Saal A23
    Abfahrt von Berlin: gemeinsamer Treffpunkt 6:30 Uhr vor dem Hotel PARK INN am Taxistand am S-Bhf Alexanderplatz

  5. Red. der braune mob
    Red. der braune mob says:

    Oury Jalloh Demo: Gedächtnisprotokoll eines Trauertages in Dessau am 7.1.2012

    VIDEO: http://thevoiceforum.org/node/2383

    Oury Jalloh Demo in Dessau

    Am Sonnabend, dem 7. Januar 2012, dem nunmehr 7. Jahrestag des Todes von Oury Jalloh fuhr ich mit meinen 3 Kindern und Freunden des VOICE Refugee Forum von Jena nach Dessau, um unsere Anteilnahme an der Trauer und die Unterstützung der Forderung der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ nach lückenloser Aufklärung und entsprechender Bestrafung der verantwortlichen Polizeibeamten auszudrücken.

    Als wir kurz vor 13:00 Uhr am Bahnhof eintrafen, war der Eingang zur Bahnhofshalle bereits durch Polizeibeamte für Demonstrationsteilnehmer abgeriegelt, sodass auch unbeteiligte Bahnreisende vor allem am Zutritt zum Bahnhof eingeschränkt wurden.

    Den Informationen umstehender Teilnehmer der Veranstaltung war zu entnehmen, dass Protagonisten der Initiative innerhalb des Bahnhofsgebäudes durch die Polizei festgehalten wurden, weil es Unstimmigkeiten um das zentrale Motto der Veranstaltung – „OURY JALLOH – DAS WAR MORD!“ gäbe und die Polizeibeamten diese Meinungsäußerung in Schrift und durch Rufe verhindern wolle.

    Die Benutzung der Bahnhofstoilette wurde durch behelmte Polizeibeamte vor und hinter den Eingangstüren des Bahnhofs auf Nachfrage verweigert….selbst nachdem die Protagonisten – Mouctar Bah und Mbolo Yufanyi bereits wieder aus dem Bahnhofsgebäude heraus gelassen worden waren, wollte mich (ausgerechnet?) eine PolizeibeamtIn mit den Worten „Sie kommen hier aber nicht rein!“ allen Ernstes daran hindern, 2 meiner Kinder auf die Toilette des Bahnhofes zu begleiten.

    Nachdem der Lautsprecherwagen nach den ersten Ansprachen vor Beginn des Trauermarsches gewendet worden war, wurde der weitere Ablauf durch eine eilig aufgestellte, polizeiliche Zweierkette behindert. Zusätzlich bewegte sich eine weitere Polizeikette seitlich auf den Lautsprecherwagen zu, wodurch es zunächst zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit den Demonstrationsteilnehmern kam, welche sich dort um den Kleinbus befanden. Wie andere auch begab ich mich – nachdem ich meine Kinder in die Obhut zweier Frauen gegeben hatte -ebenfalls zum Lautsprecherwagen. An der Linie Polizei – Demonstrationsteilnehmer angekommen versuchte ich die emotional überladene Situation durch Heben der Arme zu deeskalieren und musste schließlich einen nahe stehenden Polizeibeamten mittels Augenkontakt und Griff in den Schlagarm von der Ausführung eines dann mittlerweile schon 4. und 5. Faustschlages gegen einen Demonstrationsteilnehmer hindern.

    Die Situation an dieser Stelle konnte durch Einflussnahme der Ordner des Demonstrationszuges schließlich beruhigt werden – die Polizeikette rückte hier ab und begab sich in Richtung vor die Eingangsstufen des Bahnhofsgebäudes, wo es zwischenzeitlich zu erneuten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrationsteilnehmern gekommen war. Auch hier konnte die Situation durch das deeskalierende Eingreifen von Ordnern und besonnenen Demonstrationsteilnehmern wieder entspannt werden.

    Als ich zu meinen Kindern zurückkehrte, waren diese in Sorge um mich und nach rücksichtslosem beiseite Stoßen durch mitten durch die Menge preschender Polizeibeamte verängstigt und mussten aufgeklärt und beruhigt werden.

    Der ohnehin schon durch die Festsetzung verzögerte Ablauf wurde auch nach Deeskalation der Übergriffe auf dem Bahnhofsvorplatz durch die bereits erwähnten Polizeiketten noch mindestens weitere 15min aufgehalten und erst nach wiederholten Aufforderungen wieder freigegeben.

    Am Rande des Demonstrationszuges wurde ein Demonstrationsteilnehmer mit Kamera auf dem Weg vom Dessauer Verwaltungsgericht – in dem der im 1. Verfahren vorsitzende Richter Steinhoff im Zusammenhang mit den erteilten Freisprüchen für die angeklagten Polizeibeamten das Aussageverhalten aller 50 vorgeladenen Polizeibeamter für das „Scheitern des rechtsstaatlichen Verfahrens“ verantwortlich machte – zum Gedenkstein für Alberto Adriano, der in der Nacht vom 10. zum 11. Juni 2000 von 3 Wolfener Neonazis tödlich zusammengeschlagen wurde, von einem Polizeibeamten in die Beine getreten, sodass er stürzte. Auch hier mussten die eskalierten Emotionen ohne eigentliche Klärung der Umstände wiederholt beruhigt werden.

    Einige Anwohner und Passanten bekundeten ihren Unmut über unseren Trauer- und Protestzug mit Schmährufen wie „Haltet die Klappe und verschwindet!“ und Gesten wie dem „Stinkefinger“.

    Im weiteren Verlauf hielt sich die Polizei bis zum Endpunkt des Trauermarsches am Bahnhof zunächst zurück, jedoch nur, um am Ende umso massiver gegen einzelne Demonstrationsteilnehmer vorzugehen und Festnahmen vorzunehmen. Ein Mann wurde mit Kabelbinder fixiert abgeführt, eine Frau im hinteren Teil der Bahnhofshalle isoliert. Ich begab mich in die Nähe einer Gruppe von Polizeibeamten und versuchte gerade einen Überblick über die Situation zu bekommen, da sah ich wie ein Polizeibeamter hinter den vor mir stehenden und über deren Schultern hinweg gezielt dem hinter mir gestikulierenden Komi (der Mann mit Kamera, der bereits zuvor getreten worden war) eine Flüssigkeit ins Gesicht spritzte, ohne das hier ein handgreiflicher Übergriff seitens der Protestierenden vorgelegen hätte. Komi brach mit tränenden Augen und nach Luft ringend zusammen. Umstehende organisierten Wasser aus Flaschen zum Spülen der Augen, während ich auf die Polizeibeamten einredete um den weiteren Einsatz der Reizflüssigkeit zu verhindern. Ein anderer anwesender Arzt assistierte dem verletzten Komi umgehend – erst einige Zeit später traf ein Sanitäter der Polizei mit einem Notfallrucksack ein. Die Situation wurde durch Polizeibeamte umstellt und eine weitere Kontaktaufnahme zum Verletzten bis zum noch späteren Eintreffen der Rettungssanitäter verhindert.

    Zwischenzeitlich musste ich mit ansehen, wie Mouctar Bah bei einem anderen Polizeibeamten zu intervenieren versuchte, als dieser massiv stoßend gegen 2 Frauen vorging. Der Beamte wandte sich nun Mouctar zu und stieß dabei vehement mit seinem Polizeihelm gegen Mouctars Kopf. In die folgende Beschwerde Mouctars hinein, versuchte der Beamte Mouctar zurück zu stossen, wobei sich Mouctar nun auch körperlich dagegen wehrte. Und wieder kam es zum gezielten Einsatz der Reizflüssigkeit – diesmal gegen den Anmelder der Trauerveranstaltung und Gründervater der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh selbst. Auch Mouctar brach mit brennenden Augen und Atemwegsbeschwerden zusammen.

    Da die Situation nun insbesondere durch das aggressive Auftreten der Polizeibeamten zunehmend außer Kontrolle geriet, habe ich mich zum persönlichen Schutz meiner Kinder wieder vor die Eingangsstufen des Bahnhofsgebäudes begeben. Nach längerer Zeit traf der erste Krankenwagen mit Rettungssanitätern ein, welche kurze Zeit später den regungslosen Mouctar Bah auf der Rettungstrage aus dem Bahnhof und in den Rettungswagen brachten. Über die gesamte Zwischenzeit waren die Bahnhofseingänge erneut durch eine Polizeikette abgeriegelt worden, welche erst nach gefühlten 20min wieder abgezogen wurde.

    Ich begab mich danach erneut in die Bahnhofsvorhalle, wo Komi noch immer von Beamten der sogenannten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit umstellt war, welche mich trotz explizitem Hinweis auf meine ärztliche Profession nicht zum Verletzten durchlassen wollten, mich daraufhin nur belächelten und im Übrigen damit beschäftigt waren, die Fotodokumentation der bestehenden Zustände so weit wie möglich zu behindern. Einer der Beamten drohte gar erneutes gewaltsames Vorgehen an, wenn kein Presseausweis vorgelegt werden könne, was von mir jedoch auf argumentative Weise mit dem Hinweis auf das Recht der Dokumentation der eigenen Veranstaltung verhindert werden konnte.

    Nach und nach trafen 2 weitere Rettungswagen und auch ein Notarzt ein. Ich erfuhr, dass es noch einen weiteren Verletzten unter den Aktivisten der Initiative gegeben hatte – Abraham.

    Ich brachte meine Kinder zunächst zu unseren Autos auf einem nahe liegenden Parkplatz und begab mich erneut zum Bahnhof, nachdem ich Abraham angerufen hatte und er mich bat, ihn ärztlich zu untersuchen, da der anwesende Notarzt noch mit den anderen Verletzten beschäftigt war.

    In Absprache mit den Rettungssanitätern begann ich meine Untersuchung im Rettungswagen, zu der der Notarztkollege im Verlauf hinzukam. Abraham hatte eine leicht verkrustete Schlagverletzung im behaarten Bereich der linken Scheitelpartie ohne akut erkennbare neurologische Beeinträchtigungen auf. Die von ihm beschriebenen Atemnotbeschwerden nach Anwendung einer Reizflüssigkeit zeigten sich, wie auch die zeitweilige Einschränkung des Sehvermögens, wieder vollständig rückläufig. Ich war dem notärztlichen Kollegen noch mit der Lampe meines Telefons bei der Prüfung der direkten Pupillenreaktion behilflich und zog mich dann zur Rückfahrt nach Jena schließlich endgültig vom Ort des Geschehens am Bahnhof Dessau zurück.

    Thomas Ndindah, Jena am 10.1.2012

    Links:
    Massive Polizeibrutalität auf Oury-Jalloh-Demo in Dessau
    07.01.2012
    **
    Oury Jalloh Demo: Gedächtnisprotokoll eines Trauertages in Dessau am 7.1.2012 – mit VIDEO : http://thevoiceforum.org/node/2383

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