– Über den Autor des Liedes:

Gertrud Selzer aus „Ritterlich, unbesiegt und Ehrenbürger von Saarlouis:
Der Massenmörder und Kinderbuchautor Paul von Lettow-Vorbeck“
(http://www.katztrier.de/2006/kolonial.html)

(…)Als einer der führenden deutschen Kolonialmilitärs war er federführend als Adjutant General von Trothas an der Ermordung von 60.000 Herero 1904 im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) beteiligt.

Es war sein deutschnationales Gesellenstück. Wenig später machte er im Ersten Weltkrieg sein blutiges militärisches Meisterstück und führte in Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, ab 1914 einen Durchhaltekrieg gegen englische und belgische Truppen, dem etwa eine halbe Million Menschen, die meisten davon Zivilisten, zum Opfer fielen. Weil diese Opfer AfrikanerInnen sind, erinnert bis heute in Saarlouis nichts an sie. Weniger wertvolle Menschen eben.

Den meisten dürfte das immerwährende Sterben der „zehn kleinen Negerlein“ noch gut im Gedächtnis sein. Das Lied, dessen erster deutscher Text 1884 erschien, dem Jahr in dem in Berlin die Kongokonferenz über die Aufteilung Afrikas am grünen Tisch entschied, ist bis heute in unterschiedlichen Varianten im Buchhandel erhältlich. Vordergründig ist es ein Lied zum Lernen von Zahlen, welches ganz nebenbei die Botschaft vermittelt, dass Menschen aus Afrika zu Ordnung und Disziplin erzogen werden müssen. Die Illustrationen weisen so ziemlich jedes Klischee auf. Angefangen vom immer gleichen Aussehen, dem Kindchenschema, übertrieben wulstigen Lippen bis zum Baströckchen, wird mit diesem Lied das Stereotyp des „Negers“ immer wieder reproduziert. Genau so stellen sich auch heute noch viele Kindergarten- und Grundschulkinder die BewohnerInnen Afrikas vor – über 80 Jahre nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Afrika.

Die Fiktion der Überlegenheit der deutschen, weißen Rasse und Kultur zieht sich laut Gottfried Mergner durch die Geschichte des deutschen Kinder- und Jugendbuches. (2) Seit der deutschen Kolonialzeit bis weit in die 50er Jahre prägten vor allem die Schulbücher und hier besonders die Erdkundebücher nachhaltig das Bild Afrikas. Die staatlich gewünschte Kolonialpropaganda wurde hier par exellence umgesetzt.

Aus Afrika zurückgekehrt unterstützte er 1920 den ultrarechten Kapp-Putsch und setzte sich für die Rückgabe ehemaliger Kolonien ein. Diese Forderungen wurden bruchlos von den Nationalsozialisten übernommen, auf deren Kundgebungen er auftrat. ?Die aktuellen Huldigungen für den Massenmörder Lettow-Vorbeck nähren den Mythos vom ewig unbesiegten deutschen Soldaten. Afrika ist dabei lediglich eine der möglichen Projektionsflächen. Die Geschichte des deutschen Kolonialismus ist kurz und blutig. Wo immer Deutsche als Kolonialherren auftraten, der Schwerpunkt war Südwest- und Ostafrika, setzten sie ihre Interessen gewaltsam gegen die Bevölkerung durch, die als minderwertig abgestempelt wurde. Ziel war es, die Kolonien auf die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands zuzurichten. Im Rommelschen Afrikakorps fanden die Ideen von Lettow-Vorbecks ihre Fortsetzung. Als Dank für seine großen Verdienste um Deutschland wurde er 1956 Ehrenbürger der Stadt Saarlouis. Bis zu seinem Tod besuchte er jährlich Saarlouis und unterbrach dafür auch schon mal einen Jagdausflug im Hunsrück, bei dem er selbstredend ebenfalls „ritterlich und unbesiegt“ blieb. Als er 1964 starb hielt der damalige „Verteidigungsminister“ Kai Uwe von Hassel die Grabrede, der als ehemaliger Wehrmachtsoffizier im NS u.a. an den Plänen für ein deutsch-afrikanisches Kolonialreich arbeitete.

– aus der Petition „Das Schweigen brechen“ von Brothers’ Keepers:

(…)Das N-Wort steht für die Herabwürdigung und Entmenschlichung Schwarzer Menschen. Dies zeigt sich sowohl in der deutschen Geschichte (Sklaverei, Kolonialismus, Genozid, Zwangssterilisierung, Ermordung in Konzentrationslagern) als auch in der deutschen Gegenwart.

So sangen die faschistischen Mörder von Alberto Adriano das kolonialrassistische deutsche Kinderlied „Zehn kleine Negerlein“, während sie den mehrfachen Familienvater feige und brutal zu Tode traten.

Zudem bedient sich die rechtsextreme Polit-Szene allzu gerne des N-Wortes, wie die jüngsten Aussagen über „arrogante Wohlstandsneger“ des NPD-Fraktionschefs, Holger Apfel, im Sächsischen Landtag zeigen.
Die Auswirkungen rassistischer und sexistischer Gewalt durch Sprache dürfen nicht unterschätzt werden, ihre Verbreitung über Tonträger und Medien lässt sich nicht durch die viel zitierte künstlerische Freiheit rechtfertigen. Es geht hier nicht um formelhafte Political Correctness, sondern um R-E-S-P-E-K-T und um Verantwortung.

– Jutta Kleedorfer – “Vom Wilden zum Menschen”

Abenteuerbücher (…) verarbeiten aus der
Sicht des „Weißen“ subjektiv Erlebtes und berichten
über Unheimliches, Bedrohliches, Verlockendes.
Moralische Stärkung erfuhr der kindliche Leser durch
die Identifikationsfiguren dieser Bücher. Der weiße
Held trotzte jeder Gefahr, blieb gleichmütig im Un-
glück, war diszipliniert auch in extremen Situationen
und blieb seinen bürgerlichen, europäischen Werte-
vorstellungen wie seinem christlichen Glauben treu.

Das weit verbreitete Kinderlied von den „Zehn klei-
nen Negerlein“ spiegelt diese Einstellung wider und
vermittelt die verschlüsselte koloniale Herrschaftsi-
deologie3 des 19. Jahrhunderts. Der Aufbau folgt
dem Prinzip der abnehmenden Zahl, wonach die Ne-
gerlein in die europäische Zivilisation kommen und
der Reihe nach wegen Kulturunfähigkeit sterben.

Sie sind einfach zu dumm, zu ungeschickt, daher sind
am Schluß „alle futsch“. Eine andere Version endet
damit, dass einkleines Negerlein erstaunlich schlau
ist, denn „es ging zurück nach Kamerun und nahm
sich eine Frau“.
Die Moral von der Geschichte: Der „Neger“ bleibe
am besten, wo er ist, und maße sich nicht an, Kultur-
träger sein zu wollen wie die Weißen. Das Lied han-
delt daher auch weniger von „Negerkindern“ als viel-
mehr von „Kindnegern“, die gemäß dem rassisti-
schen Klischee vom „primitiven Wilden“ über das in-
fantile Entwicklungsstadium nicht hinauskommen, es
sei denn, der Kolonisator, der Missionar oder der
Entwicklungshelfer führen ihn. Dieses Denken war
praktisch, denn es legitimierte die christlichen wie im-
perialistischen Europäer und Amerikaner, sich die
Dritte Welt in Kolonien und wirtschaftliche Einfluss-
gebiete unter sich aufzuteilen.